Forschungsstelle Jeremias Gotthelf

Romane

A.2: Leiden und Freuden eines Schulmeisters

Projekt

Umfang: 2 Textbände (in bis zu 4 Teilbänden), 1 Kommentarband
Erscheinungstermin:  Textband 2017 (zwei Teilbände der synoptische Drucktextedition), Textband unbestimmt (Handschrift), Kommentarband unbestimmt
Leitung (Drucktexte):  PD Dr. Christian von Zimmermann
Leitung (Handschriften): Dr. Roland Reichen, Dr. Manuela Heiniger
Mitarbeitende (Drucktexte): Eveline Wermelinger (Mitherausgeberin); Barbara Berger, Felicitas Senoner, Leonie Schmid (und weitere)
Mitarbeitende (Handschriften): N.N.
Mitarbeitende (TEI-Support): Matthias Osthof

«[…] weil dieses Buch von einem Schulmeister handelt, so werden Viele es nicht anrühren mögen. Es ist eine alte Mode, daß man die Nase rümpft, wenn man einen Schulmeister von weitem sieht, daß zu gähnen anfängt, wer nur von einem Schulmeister hört. Und doch ist ein Schulmeister akurat ein Mensch wie ein Anderer. […] In diesem Buche steht nun freilich beschrieben, wie der Schulmeister seinen Rock apparti schlengge; aber noch besser ist der Mensch beschrieben, der auch Euch im eigenen Herzen sitzt.»

Mit der schon fast verharmlosenden Ankündigung, es handle sich um eine das Publikum wohl wenig interessierende Schulmeistergeschichte, begleitete Gotthelfseinen zweiten Roman, als dieser unter dem Titel Leiden und Freuden eines Schulmeisters (1838/39) an die Öffentlichkeit trat. Freilich verharmlost Gotthelf damit den brisanten Inhalt seines Textes. Die Reform des Schulwesens war eines der zentralen Projekte der liberalen Bewegungen seit dem liberalen Umschwung 1830/31 gewesen. Schonungslos stellt Gotthelf in seinem Roman die Verhältnisse im Schulwesen, die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen der Schulmeister dar, wie er sie sah. Der Roman berührt dabei nicht nur zahlreiche pädagogische Konzepte, sondern er profiliert auch die soziale Rolle des Schulmeisters. Erzähler ist der Primarschullehrer Peter Käser, der im Roman seine Lebensgeschichte ausbreitet. Den unmittelbaren Rahmen und Hintergrund des Romans stellt die allgemeine Primarlehrerprüfung dar, welche 1836 zur künftig leistungsbezogenen Lehrerbesoldung durchgeführt wurde. Käser wird von der Kommission als unfähig eingestuft.

Der Roman Leiden und Freuden eines Schulmeisters erschien zuerst 1838 in der Wagnerschen Buchhandlung in Bern. Zehn Jahre später folgte eine gekürzte und bearbeitete Zweitausgabe. Neben diesen beiden gedruckten Fassungen existiert ein umfassendes Manuskript von Gotthelfs Hand, in dem mit Rotstift Korrekturen einer anderen Hand angebracht sind. 

Die kritische Neuedition wird sämtliche Fassungen des Romans sowie handschriftliche Notizen zum Roman in mehreren Bänden vollständig darbieten. Als erster Teil der Edition erscheint 2017 die zweibändige synoptische Edition der beiden Druckfassungen. Die Edition ist so eingerichtet, dass der Text der Erstausgabe im Berner Verlag Wagner unmittelbar mit der späteren Ausgabe für deutsche Leserinnen und Leser verglichen werden kann. Die Absatzanfänge der Ausgaben sind parallel gesetzt und grössere Streichungen innerhalb der Absätze werden durch Lücken leicht erkennbar. Gotthelf reduzierte für die Zweitausgabe den lokal relevanten politischen Gehalt der Texte erheblich – wohl auch, da im Abstand von zehn Jahren viele Anspielungen nicht mehr dieselbe Bedeutung haben konnten. Zugleich aber zeigt gerade dieser Roman, wie sehr es Gotthelf darum ging, seine Texte auch sprachlich auf das nun gewonnene breitere Publikum auszurichten. So ist der Anteil an Dialektwendungen und -begriffen deutlich reduziert worden. Die Edition ermöglicht im Detail einen Einblick in diese Bearbeitung.

Die komplexe Handschrift zum Roman weist Spuren von mehreren Bearbeitern (Korrektoren, Lektoren) auf, deren Arbeit wiederum von Gotthelf durchgesehen, akzeptiert oder verworfen wurde. Da vielfach einzelne Eingriffe nicht einer bestimmten Hand zugeordnet werden können, stellen sich erhebliche philologische Probleme bei der Bearbeitung. Dennoch versucht die Edition, so viel wie möglich vom komplexen Prozess der Textgenese zu rekonstruieren und Einblick in die dabei entstandenen Textstufen zu geben.