Projektbeschrieb

Korpus und Editionsstand

Von den rund 1760 Schreiben von und an Bitzius, die bislang bekannt sind, liegen ediert nur rund zwei Drittel in den Ergänzungsbänden der Sämtlichen Werke oder in weiteren kleineren Publikationen, meist aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vor. Insgesamt ist mit einem Bestand von mehr als 2500 Dokumenten zu rechnen, die grösstenteils in der Burgerbibliothek Bern und im Staatsarchiv des Kantons Bern liegen. Weitere Briefe, vor allem aus der Feder von Bitzius, werden in in- und ausländischen Archiven wie Bibliotheken bis nach Tartu und Krakau aufbewahrt. Ebenso befinden sich Korrespondenzen in Privatbesitz.

Die projektierte Briefedition wird sowohl nicht-amtliche Schreiben von Bitzius, darunter Geschäfts- und Verlagskorrespondenzen sowie private Briefe an Bekannte und Verwandte, als auch amtliche Schreiben edieren, die er als Pfarrer, Aktuar des örtlichen Sittengerichts oder Mitglied verschiedener Kommissionen verfasste.

Quellen für Leben und Werk

Die Korrespondenz bietet vielfältige Informationen zu Leben und Werk des Autors sowie zur Rezeption seiner Texte. Die Briefe verdeutlichen den Beitrag anderer Personen wie beispielsweise des Verwandten Carl Bitzius an der Werkproduktion und erhellen die Situation des Buchhandels und Verlagswesens im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. Auch die Rivalitäten zwischen Verlagen und Volksschriftenvereinen unterschiedlicher Herkunft, die in den 1840er-Jahren allesamt um die Texte Jeremias Gotthelfs buhlten, werden in den Korrespondenzen greifbar.

Verflechtungen zwischen Erzählwerk und Korrespondenzen

Nicht zuletzt weisen die Briefe vielfache Verflechtungen mit dem Erzählwerk auf. So erklärt Bitzius in einem Brief an den Freund Joseph Burkhalter vom Januar 1837, er habe nach Überwindung seiner "Faulheit" und "Abneigung gegen das Schreiben" tagelang am Schreibtisch gesessen, um den Romanerstling, den Bauern-Spiegel, zu verfassen. Diese Selbststilisierung lässt sich mit der Figur Peter Käsers aus dem ebenfalls 1837 entstehenden Roman Leiden und Freuden eines Schulmeisters (1838/39) parallelisieren, der nach anfänglichen Schwierigkeiten Tag und Nacht an seiner Biographie schreibt.

Die Verflechtungen zwischen Erzählwerk und Korrespondenzen sind besonders sichtbar im amtlichen Schriftverkehr, den Bitzius als Schulkommissär führte. Darin zeigt sich das Spektrum der Schwierigkeiten, welche das bernische Schulwesen in der frühen Regenerationszeit prägten und die Bitzius im Roman Leiden und Freuden eines Schulmeisters thematisiert: Besetzung von Lehrerstellen, Besoldung der Lehrer, prekäre Platzverhältnisse, Durchsetzung der Pflicht zum Schulbesuch oder auch Widerstände der Gemeindebehörden beim Bau neuer Schulhäuser.

Insgesamt verdeutlichen die Korrespondenzen den Handlungsspielraum von Schulkommissären, Pfarrern und anderen Beamten in der bernischen Regenerationszeit und sind auch für Fragen der Regional-, Verwaltungs-, Alltags- und Mentalitätengeschichte aufschlussreich.

Umfassende Edition

In den Ergänzungsbänden fanden etliche Briefe aus Rücksichtnahme auf Hinterbliebene keine Aufnahme oder weil sie den Herausgebern als irrelevant für Leben und Werk erschienen. Eine Neuedition der Korrespondenzen soll den gesamten Bestand bekannter Briefe in einer editionsphilologisch zuverlässigen Textfassung zugänglich machen, um eine Überwindung der bislang dargereichten verkürzten Sicht auf den Autor sowie die Erleichterung nicht-autorzentrierter Zugänge zum Quellenkorpus zu begünstigen.